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Füllmenge

Posted on 23. November 20209. Dezember 2020 by Horst Senger

Unüberhörbar ist, dass sie tuscheln, getuschel ist normal in häusern, überall wird getuschelt, ob in diesem haus oder anderen, hier hört man es nur lauter, das getuschel vor der tür, im zimmer, keiner der bediensteten gibt sich wirklich mühe, die aufenthaltsgäste das getuschel nicht hören zu lassen. Nur wenn die wichtigen weißkittel, schwergewichtigen unglücksboten gleich, unterwegs sind, ist ruhe, aber nur solange bis ihr flügelschlag verklungen ist. Dann hebt es wieder an und jedesmal danach lauter das getuschel, als wolle es den herren der antiseptischen anstalt und ihren gemütsausläufern mit wortgeziefer beikommen, kullert die flure entlang und mehr oder weniger regelmäßig, kein rhythmus auszumachen, hinein in die zimmer, als seien die darin verwahrten alle taub, nicht nur versehrt, und wieder hinaus.

Weiß schon, nebenan mag es anders sein, bei meinem nachbarn erst recht, aber was soll ich machen, wie in einer endlosschleife durchziehen die immer gleichen satzfetzen das getuschel: unglaublich, … Glück, … so viel davon, … geradezu unheimlich, … so zufrieden, … Man könnte…, wie anders die anderen… Ich bin weder blöd noch vermessen, das hier ist nicht für mich inszeniert, dafür verstehe ich zuviel von der sache, das getuschel richtet sich an niemanden, und doch, es ist für mich persönlich kein zufall und auch für meinen teil in der geschichte nicht unerheblich, dass ich höre, was ich höre.

Anfänglich, das passiert in jedem beruf, auch in einem traumberuf, durchbeißen, habe ich gedacht, eine art kinderkrankheit, und bei der langen reihe meiner ersten auftritte, sogar hilfreich, wegen der spannung, die sich leichter aufbaut. Jedoch mit der zeit immer unangenehmer, krampfzustände, zu den kollegen kein wort, scham und eitelkeit, die übliche mischung, wer will sich schon, nein, ich auch nicht, bis heute nicht. Hat sich stetig verstärkt dieses gefühl, sobald ich die bühne betreten habe, nein, es liegt nicht an den masken, an den kostümen, nein, ich spreche nicht vom korsett, das die luft abschnürt, das ist es nicht. Ich bin mir sicher, damals und jetzt. Es ist nur, wie soll ich es sagen, ich glaube, die verkörperung, ja die verkörperung, wenn die mit den blauen schals, lang sind sie meist und lässig um den hals geschlungen, einsatz fordern, die ganze person, ach, was sage ich, sie können sich das doch auch vorstellen, einerlei ob mit blut, schweiß und tränen aus der asservatenkammer der authentizität oder didaktisch trocken, immer alles ganz ausfüllen und dann heraus damit. Aber nicht bei mir, kein heraus-damit, stattdessen wie aufgepumpt auf der bühne, der körper ein ballon, die inneren organe vertrocknet, auf erbsengröße geschrumpft, kaum auszuhalten. Nach den aufführungen gegen die große trockenheit flüssiges hineingekippt, linderung nur für die momente, dazwischen.

Ja, ans aufgeben habe ich schon gedacht, vor allem auf der bühne, aber das trinken hat mich getragen, mehr aber das raunen und murmeln um mich herum: ist das nicht…, genial, … Ein Lear, wie kein zweiter, … so glaubhaft noch nie gesehen, … Dabei, man sieht es ihm gar nicht an, … beeindruckende präsenz, … sein Trigorin unnachahmlich, … das zeug zum ganz großen, …der könnte auch, … die hamletmaschine,… jedoch, irgendwann genügt auch das nicht, dagegen anzugehen, wieder und wieder zum bersten aufgepumpt, dieses verdammte acting out, der körper, der körper, schreit es zur bühne herauf, immer und immer wieder, die luft entweicht nicht, ich möchte abtreten, ich darf nicht.

Und dann, entsinne mich nicht wann, kommt es doch noch anders, unerwartet und schlimmer, weil jetzt auch außerhalb der bühne, allmählich, und der erste gedanke ans trinken, dass es vom trinken kommt, also habe ich damit aufgehört, aber… Sie müssen sich das so vorstellen: es ist, als schwitzten sie nach innen, selbst wenn sie nichts tun, sie schwitzen nach innen, ihr inneres voll mit salziger brühe, die organe zersetzend, eine brühe, in ihr durchsichtige quallen. Können sie sich das vorstellen, wirklich vorstellen? Des berufs wegen muss ich mir alles vorstellen, aber das! Eklig, einfach eklig hat sich das angefühlt, mein leib ein quallenbecken, quallen nichts als quallen, schemen vergangener verkörperungen und der zukünftigen, wenn ich so weiter mache.

Aber so etwas macht keiner lange mit. Über kurz oder lang, gibt es nur eins, weiß nicht, ob ich den mut gehabt hätte, egal, jetzt muss ich nicht mehr darüber nachdenken. In der maske ist es passiert, ein schnitt… Und auslaufen, einfach auslaufen lassen. Herrlich.

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